„Wir sind entschlossen, einen Dialog für einen neuen Rat der Demokratie, der Gleichheit und der Solidarität voranzutreiben“, sprach der griechische Premierminister Alexis Tsipras sein neues Credo während seiner Rede am Donnerstagabend in der Pnyx aus. Dort, am Geburtsort der Athener Demokratie, wurde ein Staatsgast geehrt. Einst hatte Perikles hier die Idee einer Demokratie ins Leben gerufen, heuer wollten Tsipras und der französische Präsident Emmanuel Macron vom Glanz des antiken Stadtstaatenpolitikers profitieren. Macrons erste Auslandsreise als Präsident dient wie so vieles in der Karriere des Franzosen als weiterer Baustein in dessen Öffentlichkeitsarbeit.

Beide Politikerstehen unter Druck. Macrons Umfragewerte sinken rapide, in der Heimat drohen ihm Arbeitskämpfe. Tsipras, der ebenso wie Macron als junger Hoffnungsträger ins Amt gewählt wurde, befindet sich in einer endlosen Spirale der Austerität. Den Reformdruck konnte und wollte Macron nicht schwächen. Er betonte, dass Griechenland weiter der Sparpolitik treu bleiben sollte. Tsipras bemühte sich, sowohl Macron, als auch dessen Wirtschaft- und Finanzminister Bruno Le Maire weitere Zugeständnisse abzuringen.

Mahnung an den IWF

Als kleine, aber in Griechenland gern gehörte Geste, mahnte der französische Präsident den Internationalen Währungsfond an, keine weiteren, überzogenen Forderungen zu stellen, sondern sich vielmehr für den Fortgang der Kreditprogramme, den europäischen Werte unterzuordnen.

Tsipras und Macron, beide forderten einen demokratischen Neuanfang für die Europäische Union und die Eurozone. Die Ironie der Veranstaltung war, dass für die beiden Festansprachen zur Demokratie die Anwohner und Passanten in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt waren. Athen glich während des Staatsbesuchs von Macron eher einem Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses, denn der bei ähnlichen Anlässen oft zitierten Festung.

Der Euro-Finanzminister und fragwürdige Geschäftspartner

Macron wünscht sich einen gemeinsamen Finanzminister aller Eurozonenmitglieder und Tsipras möchte daneben noch einen gemeinsamen Sozialminister sehen. Die Reden beider Politiker waren ebenso wie eine zwei Ansprachen des griechischen Präsidenten Prokopis Pavlopoulos zum Staatsbesuch zwar als Appelle an die Demokratie formuliert, jedoch eindeutig nach Berlin adressiert. Griechen und Franzosen stören sich an den strengen Maßnahmen gegen Verfehlungen hinsichtlich des Haushaltsdefizits und bemängeln, dass gegen innergemeinschaftliche Exportüberschüsse, welche über die in den Euro Verträgen hinaus gehende Begrenzung verstoßen keine Handhabe besteht. Erneut forderten die Franzosen gemeinsam mit den Griechen eine Lösung des Schuldenproblems.

Macron präsentierte sich in der Öffentlichkeit als Linksliberaler. Im Schlepptau hatte er jedoch ein wahres Heer an Investoren. Er betonte, dass diese Griechenland nie im Stich gelassen hätten. Rüstungsunternehmen können angesichts der unsicheren Lage in der Region auch im von der Krise geschüttelten Hellas auf gute Geschäfte hoffen.

 

Ausverkauf für Griechenland?

Die Franzosen möchten das, was an griechischer Infrastruktur noch da ist, gern für sich haben. Das betrifft Hafenanlagen, kommunale Wasserwerke und Energiequellen. Anders als in den Vorjahren scheint Tsipras nun zum Verkauf bereit zu sein. Denn das Quartalswachstum fiel erheblich niedriger als kalkuliert aus, damit entgleist erneut der Schuldenkoeffizient. Nach Logik der Kreditgeber sind somit entweder Verkäufe von Tafelsilber oder aber Rezessionsverstärkende Sparmaßnahmen nötig.

Es erscheint utopisch, dass Tsipras, wie er es immer wieder betont, sein Land zum Ende des aktuellen Kreditprogramms aus der Vormundschaft der Kreditgebertroika befreien kann. Vielmehr fordern diese nun wieder eine Rekapitalisierung der Banken, eine aus der Staatskasse zu finanzierende Aktion. Selbst wenn die Rückkehr an die Kapitalmärkte glückt, werden die Troikaner bleiben. EU-Kommissar Pierre Moscovici hatte zwar gegenüber italienischen Medien betont, dass die Spardiktate der Rettungsprogramme ein Skandal für die Demokratie seien. Andererseits äußerte er auch die Überzeugung, dass die Vormundschaft bestehen bleiben müsse, bis drei Viertel der Hilfskredite abbezahlt sind.

Geschäfte und Allianzen

Macrons Besuch im Land kann daran nicht viel ändern. Er belebte jedoch das zuletzt etwas belastete Verhältnis der traditionell befreundeten Staaten. Während der Militärjunta hatte Frankreich griechischen Dissidenten von 1967 bis 1974 Asyl gewährt. Der damalige Präsident Valéry Giscard d’Estaing hatte maßgeblich, auch gegen Bedenken des Bundeskanzlers Helmut Schmitt den Beitritt der Griechen in die Europäische Gemeinschaft (1981) gefördert.

Zum ersten Eklat in der seit Griechenlands Befreiungskriegen von 1821 andauernden Freundschaft kam es, als Nicolas Sarkozy 2011 mit seiner öffentlichen Demontage zum Rücktritt des Premierministers Giorgos Papandreou beitrug. Sarkozys Nachfolger Hollande war vom damaligen Oppositionsführer Tsipras als Hollandreou, als französische Version des krachend gescheiterten Papandreou begrüßt worden. Und auch im letzten Wahlkampf stand Tsipras lange an der Seite von Macrons linken Gegnern, vor allen Jean-Luc Mélenchon, wechselte jedoch kurz vor der Wahl das Lager. Macron hingegen hat neben Tsipras auch im Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis einen Freund. Mitsotakis Familie hatte in Paris die Militärregierung überdauert. Der konservative Oppositionsführer hatte schon frühzeitig auf Macron gesetzt, nachdem die Affären um Francois Fillon bekannt wurden. Auf lange Sicht ist somit Macron der Gewinner des Staatsbesuchs. Er konnte Geschäfte ankurbeln und Allianzen schmieden. Tsipras hingegen bekam erneut nur gute Versprechungen und Visionen präsentiert.

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